Donnerstag, 30. Mai 2013

Palmeiras und Santa Marina


Ich versuche meinen São Paulo Aufenthalt zu nutzen, um so viel Fußball wie nur möglich zu sehen. Den Anfang mache ich am Mittwochmittag mit einem Besuch zur Baustelle des neuen Stadions von Palmeiras. Nachdem der Stadtrivale Corinthians das neue WM-Stadion baut, kann der Verein der italienischen Gemeinde, ehemals Palestra Italia auch nicht hinten an stehen. Am Ort des alten Parque Antartica wird deshalb eine neue Arena errichtet.
Die Bauarbeiten sind schon gut vorangeschritten und es ist wahrscheinlich, dass das Stadion von Palmeiras schneller fertiggestellt wird, als das Itaquerão von Corinthians. Neben der Arena erhebt sich schon jetzt eine neue Turnhalle für andere Sportarten. Es scheint, dass mehr Geld in Gebäude, als in die Mannschaft gesteckt wurde, denn Palmeiras ist in die zweite Liga abgestiegen.


Eröffnet ist auch schon ein neuer Fanshop am alten Haupteingang. In der Vitrine werden die neuen Retro-Trikots, die gewaltig an die grünen Trikots der deutschen Nationalmannschaft erinnern. Im Shop erblicke ich ein Poster, dass der Vereinsikone, dem Torwart (São) Marcos, WM 2002, gewidmet ist.
Kurios ist auch, dass an derselben Straßenecke Fanartikel in verschiedenen Modalitäten angeboten werden. Gegenüber gibt es einen zweiten, privaten, Fanshop, auf der Straße werden Piratenprodukte offen angeboten und in der Seitenstrasse hat der Fanklub Mancha Verde seinen Laden. Davor hängt ein Protestplakat: „Eintritt R$60, Fußball R$0.“.


Ich treffe meinen Bekannten Enrico und wir gehen zum Mittagessen, natürlich Italienisch. São Paulo gilt als größte italienische Stadt der Welt und nicht nur Palmeiras, sondern auch Corinthians und Juventus wurden von italienischen Einwanderern gegründet. Der Dialekt São Paulos erinnert auch stark an das Italienische mit seinen langgezogenen Es. Enrico bestellt eine Portion Polpettone, eine Art Frikadelle, und ich Capeletti Di Brodi, eine starke Nudelsuppe. Beides Klasse.


Enrico schlägt vor den Bolzverein Santa Marina zu besuchen. In São Paulo gibt es die Tradition der Auenmannschaften, die in den Auen der Flüsse Tiete oder Pinheiros kicken. Es handelt sich um Freizeitkicker, oftmals an Fabriken gegliedert. Der Klub Santa Marina wurde von Arbeitern einer Glasfabrik in Barra Funda gegründet und wird heuer 100jähriges Bestehen feiern. Das Gelände befindet sich inmitten eines Industriegebietes und sogar der alte Schornstein der Glasfabrik existiert noch.



Wir treffen einen der Verantwortlichen, Francisco. „Wir sind hier seit 100 Jahren und jetzt wollen sie uns hier weg haben“, beklagt er sich. Die Gegend erlebt eine Aufwertung und da wurde das Vereinsgelände zu einem begehrten Grundstück. Das Gelände hat einen Rasenplatz, eine kleine Halle und sogar ein paar Büros und Trophäensammlung. Das ist kurios, denn in Brasilien sind die Amateurvereine nicht im Verband CBF organisiert. Hier wird also alles selbstverwaltet. Man kommt sich vor wie auf einer faszinierenden Reise in die Fußballgeschichte São Paulos. 

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