Sonntag, 20. Januar 2013

Olaria – Audax, 0:0



In Rios Nordzone gibt es eine der wichtigsten Wallfahrtskirchen Brasiliens: die Igreja da Penha. Sie liegt auf einem kahlen Felsen im Stadtteil Penha und ist der Jungfrau Maria geweiht. Ich wollte schon immer mal die 365 Stufen zur Kirche hinaufgehen und die Aussicht genießen. Da kam mir das Heimspiel von Olaria, im gleichnamigen Viertel in der Nachbarschaft der Penha, gerade recht, um eine Tour durch Rios Norden zu machen.
Als ich am Felsen ankam, stellte ich erfreut fest, dass es inzwischen einen Aufzug gibt, den ich dann dem Fußmarsch vorzog. Die Kirche wurde kürzlich renoviert und erstrahlt in neuem Glanz und die Aussicht ist fantastisch. Man überblickt die Nordzone, die Bucht, den Zuckerhut und den Corcovado. Hinter der Kirche beginnt eine der größten Favelas Rio de Janeiros, der Complexo do Alemão, in dem 2010 die Militärmaßnahmen gegen die Drogenbanden begannen. Heute verkehrt dort ein Lift.
Bis ins 19. Jahrhundert dominierten in dieser Gegend Fazendas, die in erster Linie Zucker produzierten die Landschaft. Aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts siedelte sich in Penha eine Lederfabrik und in Olaria eine Ziegelei (Port.: Olaria) an. Deshalb wurde daraufhin einer Zuglinie aus dem Zentrum Rios in diese Richtung gebaut und damit begann das Bevölkerungswachstum. 1915 wurde der Olaria AC mit Sportangeboten für Fußball, Tennis, Segeln und – kurios - Pfadfinder gegründet.
Von der Penha-Kirche ist es nur ein kurzer Fußmarsch bis zum Vereinsgelände in der Rua Bariri. Man sieht, dass der Klub stark in der Gemeinde des Stadtteils verwurzelt ist. Außer dem Fußballstadion fällt besonders das Schwimmbad auf. Ich trinke in der Bar noch einen der in der Nordzone beliebten brühend heißen schwarzen Kaffees aus dem Glas und begebe mich auf die Tribüne.


In der Gegengerade erhebt sich die - fast leere - typische Dreieckstribüne Olarias. Die Haupttribüne hingegen ist gut gefüllt, unter anderem auch mit einem kleinen Fanklub: die Torcida Império Olariense. Kurz nach Spielbeginn erscheint auch hinterm Tor ein Fanklub: die Torcida Jovem Olaria. Das Spiel plätschert etwas bedeutungslos vor sich hin. Audax, aus São João de Meriti in der Peripherie Rio de Janeiros, beschränkt sich aufs Verteidigen und Olaria findet kein Konzept gegen den Betonriegel.
Da kommt plötzlich Bewegung auf den Rängen auf. Ein Teil der Torcida Jovem rennt zum Ausgang und ein anderer rennt zum Geländer, um zu sehen, was auf der Straße, vor den Stadiontoren, geschieht. Das ist ein typisches Zeichen für Prügeleien. Kurz danach kommen die Jungs wieder zurück und beginnen Schlachtrufe gegen die Torcida Império anzustimmen. Was ist denn da los? Ein Streit zwischen den Fanklubs des gleichen Vereins? 
 Ich spreche mit Victor von der Torcida Império:
„Wir sind eine Abspaltung der Jovem, deshalb mögen sie uns nicht.“, erklärt er mir.
„Aber, warum habt ihr euch getrennt?“, hacke ich nach.
„Sie sind nur auf Prügeleien aus und das hat uns nicht gefallen.“
„Was war denn jetzt auf der Straße los?“
„Die Torcida von Audax ist eingetroffen und da haben sie eine Prügelei begonnen. Aber die Polizei hat sie schon getrennt und mehrere von ihnen festgenommen.“
Ich bin doch etwas überrascht, dass es so etwas bei so einem kleinen Verein gibt. Am Aushang steht, dass heute 408 Zuschauer anwesend sind. Da muss man schon suchen, wenn man jemanden finden will, der auf Prügeleien aus ist.


„Was hältst du denn von deiner Mannschaft?“, führe ich das Gespräch fort.
„Sie spielen überraschend gut, dafür, dass keine nennenswerte Verstärkung verpflichtet wurde. Audax hat Geld und müsste eigentlich mehr zeigen. Bei uns sind einige Sponsoren abgesprungen. Die Fußballabteilung wird ja jetzt nicht mehr als Verein, sondern als Unternehmen geführt. Ein Portugiese hat das jetzt, mit der Unterstützung von Eurico Miranda, Ex-Präsident von Vasco da Gama, übernommen. Da war die Vorbereitung schlecht. Unter diesen Umständen muss man zufrieden sein.“


Ich gehe zu den Pressekabinen hoch und treffe Fernando, den Präsidenten von Audax und frage ihn zu seiner Meinung über das Spiel.
„Ich bin enttäuscht. Das haben wir so nicht trainiert. Die Mannschaft müsste besser sein. Sie spielt nur hohe, lange Bälle in die Spitze, statt konzentriert ein Spiel aufzubauen.“
„Was sind denn die Saisonerwartungen von Audax?“
„Wir planen uns für die Serie D, die vierte brasilianische Liga, zu qualifizieren. Dazu müssen wir vor den Mannschaften, die schon in der Serie C sind, also Madureira, Duque de Caxias und Macaé, abschließen. Dann würden wir nationale Aufmerksamkeit gewinnen. Das müsste möglich sein.“
Da sind also die Erwartungshaltungen ganz verschieden hoch bei den zwei Klubs. Das Spiel war insgesamt ein sehr fader Saisonauftakt und endete 0:0. Es gab wenig Höhepunkte und insgesamt würde ich sagen, dass Audax sogar die besseren Torchancen hatte, trotz seiner Defensiveinstellung.


Es hat mir gut gefallen bei Olaria. Die Leute sind freundlich und reden mit einem. Man fühlt sich sofort integriert. Es kommt einfach ein Gemeinschaftsgefühl auf. Da muss ich doch meinen Ausflug mit einem kühlen Bier, in einer der legendärsten Kneipen der Region, dem Original do Bras, in Bras de Pina, nur 3 Stationen von Olaria entfernt, ausklingen lassen.
In Rio de Janeiro gibt es einen Wettbewerb der besten Kneipengerichte. Das Original do Bras nimmt daran regelmäßig teil und hat schon Preise gewonnen. Zunächst probiere ich die preisgekrönten panierten Rouladen, die der Wirt „Eine Runde durch die Vororte“ (Um rolé pelo subúrbio) nennt. Absolut fantastisch – Bestnote. Als nächstes bestelle ich einen Klassiker der Botequins (Kneipen): eine Bohnensuppe. Auch mit ihr bin ich sehr zufrieden. Zum Abschluß gibt es noch ein Gericht mit getrocknetem Fleisch, Zwiebeln und kandierten Orangenstücken. Das salzige Fleisch mit den süßen Früchten ist eine gute Idee, aber verglichen mit den ersten beiden Gängen beeindruckt dieses Gericht nicht so sehr.
So geht ein fantastischer Ausflug in Rios Vororte zu Ende. Toll war`s. Ich freue mich schon auf die nächsten Spiele.


PS: Ich habe bemerkt, dass die Teams in der ersten Phase gegen die Klubs der anderen Gruppe spielen und erst in der zweiten gegen die Mannschaften aus der eigenen Gruppe. In dem Post vom Mittwoch habe ich das verdreht. Sorry!

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