Montag, 5. November 2012

Vasco da Gama : Sport, 0:3



Der zukünftige brasilianische Meister Fluminense hatte diesen Sonntag ein schweres Auswärtsspiel bei São Paulo. Flamengos Heimspiel gegen Figueirense wurde in die etwa zwei Stunden von Rio entfernte Stahlarbeiterstadt Volta Redonda verlegt. Somit beschloss ich mit ein paar Freunden das Heimspiel von Vasco daGama zu besuchen. Am Hauptbahnhof Central treffe ich mit etwa 30 Minütiger Verspätung meine österreichischen Kollegen Reinhard (vom Ballesterer) und Kevin. Die Jungs mussten noch Make-Up auftragen.
Weiter geht es mit dem 472-Bus nach São Januário. Irgendein redseliger Fan quatscht während der Fahrt Reinhard an und die beiden unterhalten sich bis wir ans Stadion kommen. „Was hat er dir denn erzählt?“, frage ich. „Ich habe nichts verstanden.“, erklärt mir Reinhard.
Wir kaufen Tickets für R$20. Der Klub versucht mit den günstigen Preisen die letzten treuen Fans anzulocken, nachdem man jetzt schon fünf Spiele in Folge verloren hat und somit die Chance auf eine Qualifikation für den Libertadores-Pokal sehr gesunken ist. Es scheint nicht viel zu wirken, denn der Vorplatz ist fast leer. Wir treffen an der Bar der ‚Guerreiros do Almirante‘ Leda und Carol, um noch ein Bier zu trinken. An einem Nachbartisch verteilen Mitglieder eines Fanklubs T-Shirts mit der Aufschrift: „Wir sind Mitglieder und wir wollen Veränderungen!“.



Die Wut der Vasco-Fans richtet sich gegen den Vereinspräsidenten und ehemaliges Idol Roberto Dinamite, der erst vor wenigen Jahren als Hoffnungsträger gewählt wurde. Den Verein drücken jedoch Schulden und so wurden zur Saisonhalbzeit viele Leistungsträger verkauft. So ist die ehemals vielversprechende Mannschaft jetzt zerfallen.



Etwa 20 Minuten vor dem Spiel wird unsere Vascaina Leda unruhig. Wir gehen ins Stadion und bewundern die leeren Ränge. Nur etwa 4.000 Zuschauer verlieren sich im alt-ehrwürdigen Rund des São Januário. Das Spiel ist dann, zumindest für die Vasco-Fans, so traurig, wie der Rahmen. Der Abstiegskandidat Sport aus Recife gewinnt locker 3:0. Die Mannschaft hat aufgegeben. Leda brüllt sich die Seele aus dem Leib, aber es hilft nichts. Ich leihe mir ihren Radio und höre das Spielende aus São Paulo. Fluminense erkämpft sich dort ein 1:1 Unentschieden.


Nach dem Spiel treffen wir den BBC-Korrespondenten Tim Vickery auf dem Stadionvorplatz. Er ist gerade von einer Vortragsreihe aus Recife zurückgekommen, wo er ein Trikot von Sport geschenkt bekommen hat.
„Ich fand das Ergebnis jetzt eigentlich ganz gut, denn seit meiner Reise hege ich gewisse Sympathien.“
„Wie war denn dein Recifeaufenthalt?“
„Ich habe dort diese Straßenverkäufer gesehen, wie es sie auch in Rio gibt. Sie hatten auf ihrer Arbeitskleidung ‚Geparkte Wanderhändler’ geschrieben. Ich glaube das ist ein gutes Sinnbild für den Nordosten Brasiliens.“
„Hast du denn auch Bekanntschaft mit den berühmten Haien Recifes gemacht?“
„Da gibt es auch ein Souvenir am Strand zu kaufen: Ein T-Shirt mit der Aufschrift ‚Ich war in Recife und habe überlebt‘. Aber ich hatte gerade kein Geld bei mir.“


Nach diesem kurzen Ausflug in den britischen Humor bietet uns Carol eine Mitfahrgelegenheit in ihrem Auto an. Wir zählen durch: sechs Personen. Das ist eigentlich zu viel. „Macht nichts“, sagt Carol und die vier Jungs zwängen sich auf die Rückbank, während es sich die Mädels vorne gemütlich machen. So nehmen wir Kurs auf das Stadtzentrum, vorbei am üblichen Polizeiaufgebot eines Fußballspiels. Direkt vor der Haupttribüne reist Leda nochmal das Fenster auf und brüllt üble Beschimpfungen gegen Roberto Dinamite. Tim amüsiert sich und ich bin um Carols Führerschein besorgt. Aber alles geht gut. Carol lässt die Österreich-Deutschland-Fraktion in Rios Ausgehviertel Lapa aussteigen und fährt mit der nun binationalen englisch-brasilianischen Besetzung Richtung Südzone weiter.
Reinhard, Kevin und ich gehen in die traditionelle Gastwirtschaft „Nova Capela“, um Wildschwein zu essen. Es läuft gerade das Spiel des Verfolgers Atlético – MG bei Coritiba. Als wir gerade bei der Vorspeise „Kabeljaubällchen“ sind, bekommt Coritiba einen Elfer zugesprochen. Deivid verwandelt. „Das läuft ja wieder Klasse für Fluminense!“ Während wir uns das Wildschwein schmecken lassen, startet Atlético – MG einen verzweifelten Sturmlauf. Es nützt nichts, es bleibt beim 1:0. Damit hat Fluminense jetzt neun Punkte Vorsprung, bei vier verbleibenden Spielen. Die Fluminensefestwochen sind nahe.
Zur Verdauung gönnen wir uns noch einen Zuckerrohrschnaps im „Casa da Cachaça“ um die Ecke und stoßen auf Fluminense an.

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