Donnerstag, 27. September 2012

Flamengo : Atlético – MG, 2:1



Noch vom 14. Spieltag stand die Begegnung Flamengo : Atlético – MG aus, die damals wegen Unbespielbarkeit des Platzes verschoben wurde. Das Aufeinandertreffen gewann in der Zwischenzeit sehr an Brisanz, denn während jetzt nach 26 Spieltagen Atlético – MG um die Tabellenspitze kämpft, versucht Flamengo den Abstieg abzuwenden.
Doch ein weiterer Faktor der Dramatik ist eine seltsame Verbindung von zwielichtigen Geschehnissen zwischen den beiden Klubs. Da ist zunächst der Superstar Ronaldinho Gaúcho, der 2011 als großer Hoffnungsträger und spektakuläre Neuverpflichtung von Milan zu Flamengo wechselte. Doch er konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen und produzierte stattdessen negative Schlagzeilen.
Da ist zum einen sein Bruder und Manager Assis, der dabei erwischt wurde, wie er Trikots im Fanshop von Flamengo stahl. Zum anderen kamen Gerüchte auf, dass Ronaldinho im Trainingslager unerlaubten Damenbesuch bekam, was er und die Vereinsführung durchgehend leugneten. Doch dann wurden die Videobänder der hotelinternen Überwachungskameras der Presse zugespielt und überführten Ronaldinho. Nachdem sich der erhoffte Erfolg nicht einstellte wechselte Ronaldinho Gaúcho Anfang 2012 zu seinem jetzigen Verein und heutigen Gegner Atlético – MG, mit dem er um den brasilianischen Meistertitel spielt.
Schon länger her ist der Fall des Torwarts Bruno, der in der Jugend von Atlético – MG ausgebildet wurde, aber bei Flamengo zum Star wurde. Er wurde 2010, als Spieler von Flamengo, Vater des Kindes der Pornodarstellerin Eliza Samudio, die im selben Jahr, nachdem sie Alimente einforderte, auf der Fazenda von Bruno in Minas Gerais verschwand (Atlético – MG ist aus Belo Horizonte, der Hauptstadt des Bundesstaates Minas Gerais). Heute geht die Polizei davon aus, dass sie ermordet wurde und Bruno der Auftraggeber war. Er sitzt seitdem im Gefängnis und wartet auf den Prozess.  
In den letzten Wochen kamen Gerüchte auf, dass die Präsidentin von Flamengo und Stadträtin von Rio, Patrícia Amorim, in ihrem Stadtratsbüro Kollegen von Flamengo beschäftigt. Wenn sich die Anschuldigungen bestätigen, dann heißt das, dass sie mit öffentlichen Geldern Personen, die im Verein ehrenamtliche Ämter übernahmen, bezahlt. Man muss dazu wissen, dass Flamengo in Brasilien die Meinung spaltet: entweder man ist Fan und liebt den Klub, oder man hasst ihn. Es gibt keinen Mittelweg. Unter den Flamengohassern hat der Verein das Image ein Gangsterklub zu sein, der zum Beispiel Schiedsrichter korrumpiert. Die aktuellen Anschuldigungen gehen jedoch weit darüber hinaus. Irgendwie scheinen sich die Vorurteile zu bestätigen. (Da reit sich der von Andrew Downie beschriebene Vorgang nahtlos ein: http://andrewdownie.wordpress.com/2012/09/03/two-weeks-into-yet-another-new-fresh-start-adriano-misses-training-at-flamengo/)
Für Flamengo wäre es besonders bitter sollte Atlético – MG mit Ronaldinho heute gewinnen, der so den ehemaligen Klub definitiv in Abstiegskampf stürzen würde. Die Vereinsführung reagierte und legte den Eintrittspreis auf €2, statt sonst €20 fest, um das Stadion selbst an einem Mittwochabend voll zu bekommen. Die Mischung aus Sonderangebot und, durch die Medien, aufgeheizter Stimmung hatte Erfolg. Alle 38.000 in Rio erhältlichen Eintrittskarten wurden verkauft. Nur im Gästeblock sah man Lücken. Ein Freund sagte zu mir vor dem Spiel: „Schau an, was man mit Hass nicht alles erreichen kann.“
Das Spiel wurde dementsprechend giftig geführt. Ronaldinho wurde bei jedem Ballkontakt ausgepfiffen und bekam nichts auf die Reihe. Flamengo war in der ersten Halbzeit haushoch überlegen und kam in der 21. Minute durch Vagner Love mit einem sehenswerten Fallrückzieher verdient zur Führung.
Vor dem Spiel wurden tausende Trillerpfeifen verteilt, um Ronaldinho auszupfeifen. Das rächte sich gleich zu Beginn der zweiten Halbzeit, denn die Spieler von Flamengo dachten, dass Jô im Abseits war und blieben stehen. So kam Atlético – MG zum unverdienten Ausgleich. Doch nur fünf Minuten später erzielte Liédson den 2:1 Siegtreffer für Flamengo. Die aufgeheizte Stimmung führte noch zu zwei Rudelschubsereien in deren Folge der Schiedsrichter den Neunationalspieler Réver von Atlético – MG vom Platz stellte. Die Fans schrien genüsslich „Ronaldinho – Flamengo braucht dich nicht!“.
Nach dem Spiel, also etwa um Mitternacht, drängten sich die knapp 40.000 Zuschauer durch die engen Straßen von Engenho de Dentro und offenbarten die strukturellen Probleme des Stadions an diesem Ort. Der Zugang zur Bahnstation war hoffnungslos verstopft, was zu einigen kritischen Momenten führte. Kurz hörte ich Elektroschocks des Sicherheitspersonals.
Mit dem Ergebnis verschafft sich Flamengo Luft im Abstiegskampf. Innerhalb zwei Wochen muss das Team gegen die drei Erstplatzierten spielen und hat in diesen Duellen schon vier Punkte gewonnen. Am Sonntag kommt es zum Derby gegen Fluminense. Atlético – MG muss die Meisterschaftshoffnungen vorerst etwas dämpfen.
                                    Ronaldinho Gaúcho wird ausgepfiffen.

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